St. Pauli Kirche
Für alle, die überhaupt keine Zeit haben, der schnelle Ritt durch die Geschichte des „ältesten Klubs auf dem Kiez“: 1682 Fachwerkkirche (bis dahin wurde der Ort bereits als Begräbnisstätte genutzt), 1814 von den französischen Besatzern aus strategischen Gründen im Zuge der neapolitanischen Kriege abgebrannt (neben zahlreichen anderen Gebäuden auf dem Hamburger Berg, um freies Schussfeld auf feindliche Truppen zu haben), 1820 Einweihung der neugebauten Kirche, 1846 folgte dann die Fertigstellung des Schulhauses. Ebenfalls 1864 gab es den heutigen Kirchturm mit neuromanischen und neugotischen Stilelementen dazu. Samt Gedicht: „So steht die Kirche nun vermählt mit dem ersehnten Turme, der ihr so lange hat gefehlt, trotz bietend jedem Sturme.“
Jedoch ist nicht alles „neu“. Der Taufstein von 1693, das Kruzifix von um 1690 und die Paulus-Statue haben es ins Heute geschafft – sie wurden noch gerettet, bevor die Kirche 1814 abgebrannt wurde.
Klingt schräg, ist aber so – die evangelisch-lutherische St. Pauli Kirche liegt heute nicht (mehr) in St. Pauli, auch wenn sie für das Viertel namensgebend war. Denn 1937/38 wurde die Stadtteilgrenze im Zuge des „Groß-Hamburg-Gesetz“ geändert. Der Hintergrund: Auf St. Pauli hatte es die NSDAP schwer, ihre Macht durchzusetzen. Um ihre Ortsgruppen zu stärken, wurden die Bezirksgrenzen verschoben und ein Teil St. Paulis wurde abgezwackt und Altona zugeordnet. Seitdem liegt die Kirche nun verwaltungstechnisch in Altona-Altstadt. Noch schräger: Diese Regelung gilt bis heute.
Warum eigentlich „St. Pauli Kirche“? Hierfür ist ein kleiner Schlenker zu dem Apostel Paulus …
Er war – um jetzt kein Buch zu schreiben, nur ganz kurz und knapp – einer der ersten christlichen Theologen und für viele HistorikerInnen der Gründer des Christentums als eigene Religion.
Einer der bekanntesten Pfarrer der St. Pauli Kirche war Clemens Schultz – von 1896 bis 1914. Wer auf den Straßen des Viertels unterwegs ist, wird sicherlich schon mal über die Straße, bzw. ihren Namen gestolpert sein. Schultz – auch Sozialarbeiter und Pädagoge – setzte sich für die sozial schwachen Schichten ein und besonders für Jugendliche, indem er die „Vereinigung St. Paulianer Lehrlinge“ gründete. Das Motto: „Nörgeln ist verboten“. Trotz sportlicher Aktivitäten sollte nicht der Bizeps, sondern der Charakter ausgebildet werden. Später folgte noch die Gründung des „St. Pauli Gehilfenvereins“. Mit seiner Arbeit setzte er den Grundstein für die noch heute aktive Jugendarbeit, bzw. -fürsorge.
Und im hier und heute? Eine lebendige Kirche mit großem sozialen und humanitären Engagement, wie z.B. der Unterbringung von 80 geflüchteten Afrikanern aus Lampedusa im Kirchenschiff über mehrere Monate in 2013 – bis den Geflüchteten nach zähen Verhandlungen nach und nach Asyl gewährt wurde. Viele BürgerInnen im Viertel solidarisierten sich in dieser Zeit mit Kirche und Geflüchteten.
Ein paar Jahre später, in 2017, kam es im Zuge des G20-Gipfels zu schweren Ausschreitungen in Hamburg. Am Fischmarkt startete die Demonstration „Welcome to Hell“. Die St. Pauli Kirche konterte mit einem „Welcome to Heaven“ und lud Menschen ein, friedlich zu demonstrieren und diskutieren. Gleichzeitig wurde das Kirchengelände Zufluchtsort für Verletzte und unbeteiligte Menschen.
Die St. Pauli Kirche ist jedoch noch viel mehr: Kindertagesheim, Jugendhaus, Rechtsberatung, Café, Diakonie, Seesorge, und, und, … und mit Sandra Starfinger als Pastorin und Sieghard Wilm als Pastor, sowie einem Gemeindesekretär, einem Küster, einer Kantorin, vielen helfenden Händen und der Gemeinde St. Pauli.
Wie immer sind die Texte zu meinen Bildern nur ein Bruchteil der ganzen Geschichte. Wer tiefer eintauchen will: Das Buch „Kreuz, Anker, Herz“ zum 200 jährigen Jubiläum der Kirche lädt auf einen kurzweiligen Tauchgang ein.
Natürlich gibt es noch andere Kirchen auf St. Pauli, wie die Gnadenkirche im Norden des Viertels, die St. Joseph Kirche auf der Großen Freiheit und auch die Matthiaskapelle in Waltershof gehört zur Gemeinde.
Stand: August 2023